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NEU: Studienanfang

    Hilfsmittel zu Studienbeginn

    Hilfsmittel begleiten meist den Alltag sensorisch behinderter Menschen.

    Häufig hängt der Erfolg bei der Erledigung einer Aufgabe davon ab, dass das adäquate Hilfsmittel für die spezifische Situation eingesetzt wird.

    Für ein erfolgreiches Studium ist die Frage nach den ausgewählten Hilfsmitteln von entscheidender Bedeutung.

    Aber auch am Arbeitsplatz ist ihr Einsatz unverzichtbar. Daher ist dieser Abschnitt auch für Menschen interessant, die sich darüber informieren möchten, wie sehgeschädigte Menschen arbeiten und welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen.

    Sicher können hier nicht alle Hilfsmittel und deren Funktionen vorgestellt werden. Auch die Entscheidung, welche Hilfsmittel für dich am geeignetsten sind, musst du selbst treffen.

    Dennoch schildern wir unter der Voraussetzung verschiedener Szenarien Mindestanforderungen, damit du leichter zu einer möglichst objektiven Entscheidung kommen kannst. Eine ausführliche Auflistung verschiedenster Hilfsmittel findest du in unserer Schnellübersicht zum Thema (siehe Abschnitt Assistive Technologie und Lernmaterialien im Studium/Schnellübersicht Technische Hilfsmittel).

    Ausgangssituation: Von der Schule ins Studium

    Vor allem, wenn du inklusiv beschult wurdest, hast du bereits zu Beginn deines Studiums eine gewisse Ausstattung. Wenn deine Ausstattung noch relativ neu ist, wird es häufig schwer, eine Finanzierung für ergänzende und erweiternde Hilfsmittel zum Studium zu erhalten. Die Kostenträger erwarten ausführliche Begründungen. Deshalb solltest du dir folgende Fragen stellen:

    Welche Hilfsmittel habe ich bereits?

    Ist die Ausstattung noch auf einem akzeptablen technischen Stand?

    Gibt es bereits jetzt Situationen, in denen meine Hilfsmittel nicht oder nicht mehr ausreichen?

    Ist die momentan vorhandene Ausstattung für den Hochschulbesuch ausreichend?

    Was müsste getan werden, damit meine Hilfsmittelausstattung wieder auf den neuesten technischen Stand gebracht werden könnte?

    Gegenüberstellung der Anforderungen in der Schule und im Studium

    Mobilität:

    Eine Schule befindet sich meist in einem großen Hauptgebäude, in dem sich der größte Teil des Unterrichts abspielt.

    Die örtlichen Gegebenheiten einer Hochschule sind meist grundlegend anders. Zwischen Vorlesungen musst du oft das Gebäude wechseln. Eventuell musst du sogar Distanzen mit öffentlichen Verkehrsmitteln überwinden.

    Für deine Hilfsmittelausstattung hat das entscheidende Konsequenzen. Deine Ausstattung muss deutlich mobiler sein. Kleiner, leichter und transportabler.

    Auf Rollwagen gesetzte Bildschirmlesegeräte sind an der Hochschule meist nicht besonders praktikabel. 80-stellige Braillezeilen lassen ebenfalls Mobilität vermissen.

    Stromversorgung:

    Vor allem in großen Hörsälen kannst du nicht immer davon ausgehen, dass eine freie Steckdose vorhanden ist. Beziehe deshalb in deine Planungen ein, dass diejenigen Komponenten, die Strom benötigen, ausreichend starke Akkus besitzen. Sechs bis sieben Stunden sollten möglich sein.

    Lichtverhältnisse:

    In einem Klassenzimmer lassen sich die Lichtverhältnisse eher anpassen als in einem Hörsaal. Du kannst aus Platzgründen keine große Schreibtischlampe mitnehmen.

    Achte deshalb darauf, dass deine Sehhilfen, etwa eine Fernrohrbrille, lichtstark genug sind. Auch dein Laptop-Bildschirm sollte hell genug sein.

    Hörsaalgröße und Entfernung zum Dozenten:

    Eine „erste Reihe“ mit nennenswerter Nähe zur Tafel gibt es an Hochschulen meist nicht. Viele sehbehinderte Studierende haben Schwierigkeiten, dem Geschehen zu folgen.

    Eine Tafelkamera mit hoher Auflösung kann dieses Problem lösen.

    Für blinde Studierende ist die Ausstattung oft leichter auszuwählen. Screenreader, Sprachausgabe, Braillezeile und Laptop müssen gut zusammenpassen.

    Akustik:

    Die Akustik spielt für Seh- und Hörgeschädigte eine wichtige Rolle.

    Für Hörgeschädigte können Induktionsschleifen helfen.

    Sehgeschädigte sollten einen akustisch günstigen Platz wählen. Für Aufnahmen kann ein Diktiergerät nützlich sein, sofern es abgesprochen ist.

    Hilfsmittelberatung und Pflichtenheft

    Kenne deine Behinderung und deine Möglichkeiten gut. Entwickle ein Pflichtenheft, das alle Anforderungen umfasst. Hole dir Rat bei Betroffenen und erstelle das Heft unabhängig vom Budget. Nutze Beratungsstellen großer Blindeneinrichtungen, Optiker mit Low-Vision-Ausbildung oder Orthoptisten.

    Leite aus dem Pflichtenheft Fragen für Beratungen ab und teste Hilfsmittel gründlich.

    Du musst bei der Beantragung für den Kostenanschlag mehrere Angebote vorlegen und begründen, welches du bevorzugst.

    Finanzierung: Wer zahlt was?

    Die Hochschule oder die Studienangelegenheiten unterstützen dich bei der Ausstattung deines Arbeitsplatzes. Falls vorhanden, kannst du Leihgeräte nutzen. Außerdem sorgen sie für die digitale Bereitstellung von Materialien sowie für die Organisation von Räumen und Technik für Prüfungen.

    Beauftragte und Servicestellen wie Behindertenbeauftragte oder Inklusionsstellen beraten dich, koordinieren Nachteilsausgleiche und können teilweise Anschubfinanzierungen oder Leihpools anbieten.

    Reha- und andere Leistungsträger finanzieren persönliche Hilfsmittel wie eine Braillezeile, Software oder Studienassistenz. Je nach Einzelfall kann ein anderer Träger zuständig sein, etwa der Sozialhilfeträger, die Rentenversicherung oder die Unfallversicherung.

    Krankenkassen finanzieren medizinisch notwendige Hilfsmittel; studienbezogene IT-Hilfsmittel fallen häufig nicht darunter.

    Das BAföG kann bei einer Behinderung Mehrbedarfe oder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer abdecken, eignet sich aber nicht für alle Hilfsmittel.

    Stiftungen und Fonds vergeben projekt- oder personenbezogene Zuschüsse, zum Beispiel für Arbeitsmittel oder Reisekosten.

    Fachbereiche oder Lehrstühle können in Einzelfällen kurzfristig unterstützen, etwa beim Druck taktiler Grafiken.

    Bedarfe und Voraussetzungen

    Typische Bedarfe umfassen Hardware wie Braillezeilen, Notebooks, Tafel- oder Dokumentenkameras sowie Audio-Recorder. Software umfasst Screenreader, Braille-Treiber, OCR-Programme oder Mathematiktools. Zu den Arbeitsmitteln gehören Schwellpapier, taktile Zeichentafeln, 3D-Modelle oder Braillepapier. Studienassistenz beinhaltet Vorlesekräfte, Schreibassistenz oder technische Hilfen beim Prüfungsaufbau. Dazu kommen organisatorische Maßnahmen wie ein separater Prüfungsraum, Stromversorgung oder barrierefreie digitale Formate.

    Du benötigst eine funktionale Beschreibung deines Bedarfs, die benennt, welche Hilfen du wofür brauchst, ohne unnötige medizinische Details. Eine ärztliche Stellungnahme sollte diesen funktionalen Bezug bestätigen. Kostenvoranschläge müssen eindeutig und vergleichbar sein. Oft sind zusätzliche Bestätigungen der Hochschule nötig, beispielsweise zur Prüfungsform oder zum Bedarf an taktilen Grafiken. Übermittle nur die erforderlichen personenbezogenen Daten.

    Prozess in 5 Schritten (Hilfsmittel)

    1) Bedarf klären: Fasse in zwei bis drei Sätzen zusammen, wofür du die Hilfen brauchst, und erstelle eine Liste. Eine Erstberatung durch einen Hilfsmittelausstatter oder eine Servicestelle kann hilfreich sein.

    2) Zuständigkeit prüfen: Kläre, ob die Hochschule, ein Reha-Träger, das BAföG oder Stiftungen zuständig sind.

    3) Unterlagen sammeln: Besorge Stellungnahmen, Angebote und gegebenenfalls Bestätigungen der Hochschule.

    4) Antrag stellen: Schreibe ein kurzes Anschreiben, füge vollständige Anlagen bei, nenne eine Frist und gib einen Kontakt an.

    5) Bewilligung und Beschaffung: Dokumentiere Bestellung, Lieferung und Belege.

    Prozess in 5 Schritten (Studienassistenz)

    1) Aufgabenprofil definieren: Lege fest, welche Aufgaben die Assistenz übernehmen soll, zum Beispiel Vorlesen, Mitschrift oder technische Hilfe beim Aufbau. Keine inhaltliche Unterstützung.

    2) Zeitrahmen und Umfang schätzen: Bestimme Wochenstunden, Klausurtermine und Vorbereitungszeiten.

    3) Zuständigkeit klären: Prüfe, wer finanzieren und abrechnen kann, beispielsweise die Hochschule oder ein Sozialhilfeträger.

    4) Vertraulichkeit und Neutralität vereinbaren: Halte Erwartungen schriftlich fest und führe einen kurzen Probelauf durch.

    5) Dokumentation: Führe Stundenlisten und Leistungsnachweise und reiche sie gemäß den Vorgaben ein.

    Fristen und Timing (Empfehlungen)

    Vor Semesterstart, etwa vier bis sechs Wochen vorher, solltest du grundlegende Anerkennungen und Nachteilsausgleiche prüfen und die Grundsatzfinanzierung klären. Acht bis zehn Wochen vor Prüfungen planst du konkrete Maßnahmen und stellst oder aktualisierst Anträge. Bei Neuanschaffungen musst du Lieferzeiten und Testphasen berücksichtigen. Leihgeräte der Hochschule können Übergangsphasen überbrücken.

    Datenschutz und Aufbewahrung

    Übermittle nur notwendige personenbezogene Daten. Bewahre Belege und Entscheidungen digital oder auf Papier geordnet auf. Kennzeichne unterschiedliche Versionen deiner Unterlagen klar, um Folgeanträge zu erleichtern.

    Vom Studium ins Arbeitsleben: Hilfsmittel und Arbeitgeber

    Folgende Fragen solltest du dir stellen, wenn du deine Lage im Hinblick auf die Hilfsmittel am Arbeitsplatz analysieren und eventuell dann verändern musst:

    Welche Aufgaben werde ich in der angestrebten Arbeitsstelle übernehmen?

    Welche Hilfsmittel stehen mir hierfür zur Verfügung?

    Was ist der neueste technische Stand der entsprechenden Hilfsmittel?

    Bin ich mit meinen Hilfsmitteln und ggf. einer Assistenz arbeitsfähig?

    Brauche ich Nachschulung?

    Bietet sich eine passende Möglichkeit, dem Arbeitgeber meine Grenzen mit den Hilfsmitteln zu kommunizieren.

    Müssen weitreichendere Veränderungen des Arbeitsplatzes vorgenommen werden? (Beleuchtung, Möbel, Induktionsschleifen, Wegmarkierungen, Adaption von Aufzügen, Rampen etc.)

    Trägt der Arbeitgeber selbst einen Teil der Kosten?

    Welche Fördermaßnahmen gibt es für den Arbeitgeber?

    FAQ

    sinnvoll. Prüfe, ob der Träger ein bestimmtes Formular benötigt.

    Was tun bei Eilfällen? Frage an der Hochschule nach Leihgeräten und stelle parallel den Antrag mit einer Begründung der Eilbedürftigkeit.

    Was tun bei einer Ablehnung? Prüfe die Begründung und lege gegebenenfalls fristgerecht Widerspruch ein. Hole dir Unterstützung bei Beratungsstellen. (Tipp: Wenn du Mitglied im DVBS bist, kannst du kostenlose Rechtsberatung erhalten, sofern die Rechtsfragen deine Sehbehinderung betreffen. Das ist besonders bei Anträgen, Ablehnungen oder Widersprüchen hilfreich.)


    Veranstaltungsbelegung für Studierende mit Behinderung

    Gerade für Studierende mit Behinderung ist es oft wichtig, in ein ganz bestimmtes Tutorium oder eine spezielle Übungsgruppe zu gelangen. Daher ist es für dich auch umso wichtiger, dich rechtzeitig anzumelden, zumal die Zeitfenster für die Anmeldungen oft recht klein sind oder das Anmeldeverfahren, zum Beispiel im Falle einer Onlineanmeldung, vielleicht nicht zugänglich ist. In diesen Fällen empfiehlt es sich, Kontakt zu den Fakultäten bzw. Instituten aufzunehmen. Es kann sein, dass du gegenüber den Verantwortlichen begründen musst, warum du eine spezielle Übungsgruppe oder ein bestimmtes Tutorium besuchen möchtest. Folgende Begründungen sind hierfür möglich:

    Du möchtest die Veranstaltung gemeinsam mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen besuchen, mit denen du bereits Lerngruppen gebildet hast bzw. die in der Kommunikation mit dir nicht gehemmt sind. Dies hat Vorteile für eventuelle Gruppenarbeiten.

    Du hast vielleicht mit dem Übungsleiter bereits gute Erfahrungen gemacht und dieser ist, weil er dich schon kennt, auf deine Behinderung eingestellt.

    Für Seh- und Hörbehinderte kann ein weiteres Argument sein, dass die Vorlesung oder das Seminar an einem Ort stattfindet, der besonders leicht zugänglich ist bzw. der eine Infrastruktur aufweist, die unabdingbar ist (ausreichende Anschlussmöglichkeiten, Audioanlage etc.).

    Hörbehinderte müssen in der Regel Wochen bis Monate im Voraus Dolmetscher bestellen, daher musst du so früh wie möglich feste Termine haben.

    Für Sehbehinderte ist es zentral, dass die Zeit zwischen den Veranstaltungen genügt, um von einem zum anderen Veranstaltungsort zu gelangen.

    Wenn du dich erfolgreich anmelden konntest, kannst du auch noch vor Veranstaltungsbeginn Kontakt mit den Lehrkräften aufnehmen, um sie über deine Behinderung und besonderen Bedürfnisse zu informieren. Bei einer persönlichen Vorstellung kannst du offen die Probleme besprechen, die in den jeweiligen Veranstaltungen aufgrund deiner Behinderung entstehen könnten, und ihr könnt vereinbaren, wie dich die Lehrkraft unterstützen kann. Wenn du Zeit findest, demonstriere, wie du mit deinen Hilfsmitteln arbeitest.

    Auch wenn Anmeldephasen oft vor Beginn des neuen Semesters liegen, kann der Zeitraum zwischen der Mitteilung, welche Anmeldung erfolgreich war, und dem Beginn der Veranstaltung zu kurzfristig sein, um Studienassistenzen wie Dolmetscher oder Mitschreibkräfte zu organisieren. Studierende mit Behinderung und Assistenzbedarf haben gegebenenfalls Schwierigkeiten, rechtzeitig im Voraus zu wissen, für welche Termine sie Studienassistenzen beauftragen sollen. Daher ist es ratsam, so früh wie möglich einen festen Semesterwochenstundenplan zu haben.

    Sollte der verbleibende Zeitraum bis zum Beginn des Semesters nicht ausreichen, um Arbeitsassistenzen zu den benötigten Zeiten zu beantragen, hast du Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. Wende dich an die Fachstudienberatung, den Verantwortlichen für die Lehrveranstaltung oder den Beauftragten für Studierende mit Behinderung der Hochschule und bitte darum, dass du im Vorhinein einem Kurs zugeteilt wirst. Gegebenenfalls kannst du dir dann sogar aussuchen, welcher Termin dir am besten passt.


    Lernmaterialien und die Sensibilisierung von Dozenten

    Der Umgang mit Lehrmaterialien unterscheidet sich im Studium grundlegend vom Schulunterricht.

    In der Schule werden Materialien meist vorgegeben.

    Im Studium ist die Stoffmenge größer und es werden oft mehrere Medien kombiniert, wie Lehrbücher, Internetinhalte und Videos.

    Studierende nutzen oft unterschiedliche Materialien.

    Eigene Vorlesungs- oder Seminarnotizen sind häufig die wichtigste Orientierung.

    Materialien sind in der Regel nicht barrierefrei.

    Zeitmanagement in Sachen Lehrmaterialien

    Für sehgeschädigte Studierende bedeutet dies, dass Literatur aufbereitet werden muss. Die dafür nötige Zeit muss früh eingeplant werden. Wenn externe Personen die Aufbereitung übernehmen oder Literatur extern beschafft werden muss, kann es zu Verzögerungen kommen, die Prüfungen gefährden.

    Versuche deshalb lange vor Semesterbeginn herauszufinden, welche Literatur du brauchst – zum Beispiel über Vorlesungsverzeichnisse, Prüfungspläne oder Fachschaften.

    Kontaktaufnahme mit Überzeugungsarbeit

    Nimm vor Semesterbeginn Kontakt zu Dozenten, Übungsleitern und Tutoren auf. Vereinbare Termine über die Sekretariate. Bleibe über das Semester hinweg im Austausch.

    Tipps für das erste Gespräch:

    Erkläre, was du studientechnisch brauchst.

    Lasse dem Dozenten Raum für Fragen.

    Starte nicht mit dem Thema Behinderung.

    Poche nicht direkt auf Rechte, die dir deiner Meinung nach zustehen.

    Erkläre zuerst, was möglich ist.

    Wenn etwas nicht funktioniert, zeige, dass du aktiv an Lösungen mitarbeitest.

    Diskriminierung?

    Manche Fragen können befremdlich wirken, sind aber meist Ausdruck von Unwissen und nicht von Ablehnung. Beispiele:

    Geht das mit Ihrer Behinderung überhaupt?“

    Warum Prüfungsverlängerung? Viele tragen ja eine Brille und beantragen keine Verlängerung.“

    Finden Sie denn im Labor Ihren Platz?“

    Tipps für Dozenten

    Kläre gemeinsam, welche Unterstützung du brauchst, zum Beispiel:

    Tafelanschriebe sollten vorgelesen werden.

    Unklare Begriffe wie „hier“ oder „dort“ sollten präzise ersetzt werden, beispielsweise durch verbale Ausformulierung der gemeinten Inhalte.

    Folien sollten vorab digital bereitgestellt werden.

    Fragen im laufenden Betrieb müssen möglich sein.

    Bleibe präsent und kommuniziere Probleme direkt. Tauche nicht ab. Zeit ist kostbar.

    Urheberrechtliche Fragen treten oft auf. Viele Dozenten wollen Missbrauch ihrer Materialien verhindern. Erkläre offen deinen Bedarf und den Prozess der Literaturaufbereitung. Falls es keine verpflichtete Einrichtung gibt, kannst du eine eigene Geheimhaltungsvereinbarung anbieten.

    Beispieltext:

    Hiermit verpflichte ich mich, die mir überlassenen elektronischen Unterlagen ausschließlich für mein Studium zu verwenden und sie nicht weiterzugeben. Mir ist bewusst, dass ich für Schäden aufgrund von Missbrauch hafte.

    Literaturumsetzung

    Der Prozess ist zeitaufwendig und teuer. Recherchiere, ob benötigte Materialien schon in brauchbarer Form existieren, z. B. in Hör- und Punktschriftbibliotheken, bei der Blista Marburg oder dem Medienkatalog Sehcon.

    Mit der Zeit entwickelst du ein Gefühl dafür, welche Materialien umgesetzt werden müssen. Der Aufwand hängt vom Fach ab. Textlastige Fächer sind leichter umzusetzen, technisch-naturwissenschaftliche Fächer benötigen aufwendige Grafik- und Formelumsetzungen.

    Für die Wahl des Studienortes ist die Nähe zu Umsetzungseinrichtungen wichtig.

    Begleitende Veranstaltungen

    Zu Vorlesungen gehören oft Tutorien, Praktika, Labor- oder Rechnerübungen sowie Exkursionen. Du musst oft gesondert Kontakt zu den verantwortlichen Personen aufnehmen. Plane hier ausreichend Vorlauf ein. Manche Praktika können bis zu einem Jahr Vorbereitung benötigen.

    Ansprechpartner sind auch die Einrichtungen oder Zentren, die sehgeschädigte Studierende unterstützen.

    Onlinekurse

    Immer mehr Lehrveranstaltungen nutzen Onlinekurse oder Online-Prüfungen. Kontaktiere frühzeitig den Administrator. Du solltest testen können, ob die Inhalte für dich zugänglich sind, ggf. anhand eines Beispiels. Während des Semesters ist es schwer, Alternativen zu entwickeln.

     


    Semestertimeline

    Diese Semestertimeline gibt dir eine klare Orientierung von der Vorbereitung vor Semesterstart über die ersten Wochen bis hin zur Prüfungsphase und Nachbereitung und nennt realistische Fristen.

    Vor dem Semester (4–6 Wochen vor Start)

    Du prüfst deinen Stundenplan und notierst die relevanten Ansprechpersonen wie Lehrende, Prüfungsamt und Behindertenbeauftragte.

    Du klärst die allgemeine Anerkennung deines Nachteilsausgleichs oder beantragst sie und prüfst Fristen und Verfahren.

    Du bereitest deine Kommunikation vor, passt eine Erstkontakt-Vorlage an und speicherst sie als Entwurf.

    Du testest dein Technik-Setup: Screenreader, Braillezeile, MathML- und LaTeX-Workflows sowie Beispielmaterial.

    Du planst benötigte Hilfsmittel wie Braillepapier, Schwellpapier, taktile Zeichentafel oder 3D-Modelle und klärst Druckmöglichkeiten.

    Du prüfst, ob du Assistenz benötigst und hältst Ansprechpartner und Vertraulichkeit fest.

    Du legst einen Kalender mit Semesterterminen, Übungsterminen und Fristen für Materialbereitstellung an.

    Woche 1–2

    Du sendest den Erstkontakt an Lehrende und nennst die bevorzugten Formate wie HTML/MathML oder LaTeX-Quellen, alternativ Word mit echten Formeln.

    Du forderst Materialien für die ersten Sitzungen an und klärst die Freigabe für Audio- oder Bildaufnahmen der Tafel oder Slides.

    Du testest Tafel- oder Kamera-Setups, suchst eine geeignete Sitzposition und sicherst Stromversorgung sowie einen kurzen Funktionstest.

    Du kontaktierst Tutorium oder Übungsteam und bittest um Übungsblätter im geeigneten Format.

    Du sicherst dir Zugänge zu Mailverteilern, Lernplattformen und Gruppen.

    Du prüfst die Navigation in den bereitgestellten Materialien, besonders Formeln und Grafiken.

    Laufend im Semester

    Du überprüfst wöchentlich, ob Materialien spätestens sieben Tage vorher vorliegen und zugänglich sind und erinnerst gegebenenfalls kurz.

    Du strukturierst deine eigenen Notizen, beispielsweise in Braille, mit taktilen Skizzen oder in einer digitalen Outline.

    Wenn du Assistenz brauchst, suchst du im Umfeld von Kommilitoninnen und Kommilitonen oder höheren Semestern nach passenden Personen.

    Du meldest Fragen und Barrieren früh, entweder per kurzer Mail oder telefonisch nach dem 30‑Sekunden‑Leitfaden.

    Du klärst Abgabeformate im Übungsbetrieb und vereinbarst bei Hürden wie Formeln als Bilder geeignete Alternativen.

    Du führst nach drei bis vier Wochen eine kleine Zwischenevaluation durch.

    Vor der Klausur

    Du orientierst dich am Leitfaden zum Nachteilsausgleich und klärst formale Schritte, technische Abläufe, Assistenz, Materialien und Fristen.

    Mini-Checkliste Materialtest

    Dokumente müssen strukturiert und navigierbar sein.

    Formeln müssen als MathML, LaTeX oder echte Word-Formeln vorliegen.

    Grafiken brauchen Beschreibungen oder taktile Alternativen.

    Navigation mit Screenreader und Braillezeile muss funktionieren.

    Ein alternatives Format wie HTML oder EPUB muss verfügbar sein.

    Mini-Checkliste Raum- und Technik-Check

    Der Raum muss ruhig sein und über Steckdosen, passende Tischhöhe und Licht verfügen.

    Hardware wie Laptop, Braillezeile, Netzteile und ein Ersatzgerät müssen bereitstehen.

    Software einschließlich Screenreader, Braille-Treiber und LaTeX-Viewer muss funktionieren; Offline-Profile müssen vorhanden sein.

    Assistenzabläufe wie Vorlesen oder Diktat sollten kurz geprobt werden.

    Taktile Zeichentafel und Material müssen griffbereit sein.

     


     

    Low Vision Setup

    Dieses Kapitel bündelt erprobte Einstellungen und Workflows für Studierende mit Sehrest. Ziel ist schnelle Lesbarkeit, konsistente Bedienung und weniger Ermüdung. Die Empfehlungen sind pragmatisch gehalten und systemübergreifend nutzbar.

    Grundsätze

    Zuerst erhöhst du Kontrast und reduzierst störende Elemente und vergrößerst erst danach bedarfsgerecht. Du legst feste Shortcuts für Zoom, Navigation und Suche fest. Animationen und Effekte reduzierst du, um Unruhe zu vermeiden. Wenn möglich, arbeitest du im passenden Format wie HTML oder MathML statt in unzugänglichen PDFs. Die Beleuchtung sollte blendfrei und diffus sein.

    Windows – Einstellungen

    Du testest eine Skalierung zwischen 125 und 200 Prozent, aktivierst ClearType und vergrößerst Cursor und Mauszeiger. Du erhöhst die Caret-Dicke. Du nutzt hohen Kontrast oder Farbfilter wie Invertierung oder Graustufen. Du arbeitest mit der Windows-Lupe über Tastenkombinationen und aktivierst bei Bedarf Vorlesen oder Fokusfunktionen. Serifenlose Schriften mit großzügigem Zeilenabstand erleichtern das Lesen, und du deaktivierst störende Ligaturen. Bei PDFs prüfst du Tagging und fragst Alternativformate an, wenn Inhalte unzugänglich sind.

    macOS – Einstellungen

    Du wählst eine sinnvolle Skalierung und vergrößerst den Zeiger mit stärkerer Kontur. Du erhöhst Kontrast und reduzierst Transparenz und Bewegung. Du nutzt systemweiten Zoom im Vollbild oder Bild-in-Bild und passt die Größe des Text-Cursors an. In Browsern verwendest du den Reader-Modus. Bei mathematischen Inhalten bevorzugst du MathML. PDFs verwendest du nur, wenn sie getaggt sind; Folien nutzt du möglichst als editierbare Formate.

    iOS und iPadOS – Einstellungen

    Du aktivierst Display-Zoom, erhöhst die Textgröße über dynamischen Text und nutzt Fettschrift. Du aktivierst den systemweiten Zoom und setzt bei Bedarf Filter oder regionale Vergrößerung ein. Die Lupe verwendest du für kurze Nahaufnahmen. Du kannst das Gerät als Kamera für Tafelbilder nutzen und Fokus und Belichtung sperren. Für Dokumente bevorzugst du HTML, MathML oder editierbare Formate.

    Android – Einstellungen

    Du erhöhst Schrift- und Anzeigegröße, nutzt Fettschrift und je nach Gerät hohen Kontrast oder Farbkorrektur. Du aktivierst Systemvergrößerung über Gesten und fügst eine Schnellkachel hinzu. Du reduzierst Animationen und wählst je nach Beleuchtung Hell- oder Dunkelmodus. Für Tafeldarstellungen nutzt du die Kamera mit stabiler Halterung und gesperrter Belichtung. Du bevorzugst HTML, MathML oder EPUB.

    Kamera-Workflows für Tafel, Beamer und Dokumente

    Du verwendest eine stabile Halterung und sorgst für ausreichend Licht ohne Reflexe. Die Kamera positionierst du rechtwinklig zur Fläche, wählst einen sinnvollen Zoom und sperrst Belichtung und Fokus. Optional ergänzt du kurze Audiokommentare zur Orientierung und machst parallel Notizen. Du klärst Freigaben und speicherst Dateien mit klaren Namen wie Datum, Kurs und Thema.

    Schrift, Zeilenabstand und Formate

    Du wählst die Schriftgröße so, dass etwa 55 bis 75 Zeichen pro Zeile sichtbar bleiben, und testest einen Zeilenabstand zwischen 1,4 und 1,8. Serifenlose Schriften mit klaren Unterscheidungen ähnlich aussehender Zeichen erleichtern die Lesbarkeit. Du verwendest großzügige Absätze und Zwischenüberschriften. Formeln nutzt du als MathML oder aus LaTeX generiert, keine Screenshots.

    Kontrast und Farbe

    Bedeutung darf nicht ausschließlich über Farbe vermittelt werden. Bei hohem Kontrast achtest du auf saubere Darstellung und prüfst bei Dunkelmodus auf flackernde oder glühende Linien. Diagramme benötigen eindeutige Muster oder Marker und ausreichend große Legenden.

    Ergonomie und Ermüdung

    Du arbeitest mit Mikropausen nach der 20–20–20-Regel. Der Bildschirm steht leicht unter Augenhöhe. Du vermeidest Blendungen durch matte Folien oder angepasste Beleuchtung. Animationen schaltest du ab, wenn sie Unruhe verursachen.

    Troubleshooting

    Wenn ein PDF trotz Zoom unlesbar bleibt, forderst du ein Alternativformat an oder nutzt OCR und Pseudo-LaTeX. Wenn sssder Dunkelmodus Diagramme verfälscht, wechselst du zu hohem Kontrast oder Hellmodus oder fragst eine alternative Darstellung an. Wenn Videos flimmern oder zu klein sind, bittest du um Untertitel oder ein Transkript. Bei verwackelten Kamerabildern nutzt du ein Stativ, sperrst Fokus und Belichtung oder verwendest einen Remote-Auslöser.

    Mini-Checklisten

    A) 2-Minuten-Setup-Check

    Du prüfst Zoom oder Skalierung, lesbare Schrift, passenden Kontrast oder Hell-/Dunkelmodus, gut sichtbaren Cursor und reduzierte Animationen.

    B) Kameratest

    Du prüfst eine stabile Halterung ohne Reflexe, gesperrten Fokus und gesperrte Belichtung und eine klare und sinnvolle Dateibenennung.

    Datenschutz und faire Nutzung

    Bei Aufnahmen in Veranstaltungen holst du Freigaben ein und nutzt die Dateien nur für dich selbst. Du gibst nur notwendige Informationen weiter. Ziel ist die Beseitigung von Barrieren bei gleichbleibenden Lernzielen.